Rehn, Heidi - Das Haus der schönen Dinge Abschnitt 7

Was ist denn ein Geltungsjude?

Das habe ich mich auch gerade gefragt.

Diese ganze Terminologie ist eigentlich der reinste Horror und mir wird gerade ganz anders, wenn ich mich da wieder ein wenig einlese, um das zu erklären. Ich hoffe, ich kriege das alles richtig zusammen und gebe es auch korrekt wieder, denn mir sträuben sich die Nackenhaare bei dem ganzen Zeug.

Also: wer "Halb- oder Vierteljude" war, also nicht rein jüdischer Abstammung, und sich zum mosaischen, also jüdischen, Glauben bekannte und danach lebte genau wie ein "Volljude", der galt als Jude - also letztlich alle Menschen jüdischer Abstammung, die ihre Religion auch praktizieren. Von daher "Geltungsjude".

Im Gegensatz dazu gab es die "privilegierten Mischlinge", die zwar auch "Halb"- oder "Vierteljuden" waren, die Religion aber nicht ausübten, sich nicht dazu bekannten und in keiner jüdischen Gemeinde Mitglied waren, um ihren Glauben zu praktizieren.

Grauenhaft, diese ganzen Festlegungen, oder? Und das Fatale war, in den jeweiligen Gesetzen steht das gar nicht immer eindeutig mit den Begriffen drin, da ist es viel klausulierter ausgedrückt. Die Begriffe haben sich in der Praxis gebildet und wurden - und werden! - zum Teil immer noch benutzt. In meinem Nachkriegsroman, der nächstes Jahr erscheint, wird das auch mal angesprochen. Unfassbar, wie tief eingegraben sich die Begriffe haben.

Danke Heidi schon wieder etwas gelernt!

Das ist wirklich unwürdig, wie die Menschen in Kategorien eingeteilt wurden. Ich danke dir für die Erklärung, Heidi.

Das Schlimmste ist, dass diese Terminologie noch lange üblich war. Klemperers "L.T.I. - Das Wörterbuch des Unmenschen" dokumentiert das sehr eindrucksvoll.
Und leider gibt es die Einteilung der Menschen in Kategorien nach wie vor... Nur bei uns zum Glück nicht mehr mit diesen fatalen Folgen.