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Hilton, David E. - Wir sind die Könige von Colorado
Titel: Wir sind die Könige von Colorado
Originaltitel: Kings of Colorado
Verlag: Arche Verlag
Erschienen: 28. Februar 2011
ISBN-10: 3716026476
ISBN-13: 978-3716026472
Seiten: 416
Einband: gebunden
Serie: -
Preis: 19,90 €
Autorenportrait:
Quelle: KlappentextDavid E. Hilton, Jahrgang 1974, ist als Junge oft mit seinen Eltern zum Skifahren in den Bergen gewesen. Auf dem Weg dorthin kam die Familie stets an einem verwitterten Schild mit der Aufschrift »Erziehungsanstalt« vorbei. Die Frage, wie diese Anstalt wohl ausgesehen und was sich dort ereignet haben mag, hat David E. Hilton nun mit seinem ersten Roman beantwortet. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von Austin, Texas.
Inhaltsangabe:
Quelle: KlappentextWill Sheppard ist dreizehn Jahre alt, als er sich mit einem Messer gegen seinen gewalttätigen Vater zur Wehr setzt. Während der Vater überlebt, wird Will - eigentlich noch ein Kind - zu einem zweijährigen Zwangsaufenthalt auf einer abgelegenen Erziehungsranch hoch in den Bergen von Colorado verurteilt. Gemeinsam mit anderen Jugendlichen muss er dort wilde Pferde zähmen. Die Arbeit ist hart, und schon bald muss Will erfahren, dass auf dieser Ranch nicht nur der Wille von Tieren gebrochen werden soll. Doch er findet auch Freunde: Coop, Benny und Mickey, die eine verschworene Gemeinschaft bilden. Während die Jungen der Willkür der sadistischen Aufseher und eines hinterhältigen Mitgefangenen ausgesetzt sind, machen sie sich immer wieder gegenseitig Mut: »Scheiß auf die Welt da draußen. Hier drinnen sind wir Könige. Wir sind die Könige von Colorado.«
Als eines Tages Pferde ausbrechen, soll ein Trupp von Gefangenen und Wärtern die Tiere wieder einfangen. Auch Will und seine Freunde nehmen an dieser Expedition teil - bei der es für die Jungen schon bald ums nackte Überleben geht.
Meine Meinung
Das Leben des 13-jährigen William Paul Sheppard ist geprägt von Gewalt. Sein alkoholkranker Vater misshandelt ihn und auch Wills Mutter fast täglich. An manchen Tagen muss Will die Musik lauter drehen, um nicht zu hören, wie seine Mutter von ihrem Mann vergewaltigt wird.
Eines Tages fällt sein Vater im Alkoholrausch wieder über seine Mutter her und bricht ihr mit einem Kochtopf den Arm. Will, der seine Mutter über alles liebt, versucht, sie zu beschützen und greift zum Taschenmesser. Die Stiche perforieren zwar die Lunge seines Vaters, sind jedoch nicht tödlich.
Im Prozess verkündet der Richter das Urteil: Vierundzwanzig Monate in einer Erziehungsanstalt in Colorado. Für Will bedeutet das zwei gestohlene Jahre seines Lebens – und zwei Jahre, in denen er seine Mutter vor den Attacken seines Vaters nicht beschützen kann. Dass die Swope Ranch, die für die nächsten Jahre sein neues zu Hause werden soll, noch brutaler sein wird, als die Schläge seines Vaters, kann er nicht ahnen. Die Ranch, auf der Wildpferde durch die jugendlichen Insassen gezähmt werden, benötigt keine Mauern und Zäune, denn sie liegt in einem Tal, das mehr als viertausend Meter über dem Meeresspiegel liegt. In den zwölf Jahren, die diese Ranch als Erziehungsanstalt dient, hat nicht einer der Insassen einen Fluchtversuch unternommen. Aber jeder Versuch hätte unweigerlich mit dem Tod des Flüchtenden geendet und das wird auch Will gleich an seinem ersten Tag vom Direktor Walter Barrow unmissverständlich klargemacht.
Auf der Ranch sitzen neunundsiebzig Jungen ihre Strafe ab und Will merkt recht bald, dass dort die Gesetze des Stärkeren gelten und sowohl unter den Mitgefangenen als auch den Aufsehern einige Sadisten sind. Die einzigen Freunde findet er in Mickey, Coop, Benny und der schwarzen Krankenschwester Miss Little. Nur sehr schlecht kommt Will mit den Hasstiraden einiger Mitgefangenen zu Recht, die sich auch oft gegen seine Freunde richten.
Als eines Tages ein paar Pferde ausbrechen, sieht sich ein Trupp Gefangener und Wärter vor dem Problem, die Pferde wieder einzufangen. Unter ihnen: Will und seine Freunde, aber auch ihr Erzfeind Silas und der sadistische Aufseher Frank Kroft, der sich öfter mal an einigen schwächeren Jungen vergreift. In der Nacht gelingt es Silas, die Waffe eines Aufsehers zu entwenden und es kommt zu einem Kampf auf Leben und Tod …
Schon allein das Cover des Romans vermittelt dem Leser, dass es hier um eine düstere Geschichte geht. Dunkle Wolken über den unendlichen Weiten Colorados. Der Blick auf den Horizont ist ein Blick in schwarze Finsternis. Der Autor schreibt sehr direkt und schont seine Leser nicht. Deswegen würde ich Menschen, die Gewaltszenen nur schwer verarbeiten können auch von diesem Buch abraten.
Während der ganzen Zeit des Lesens hat mich das Gefühl von ständiger Beklemmung und Hilflosigkeit begleitet. David E. Hilton lässt den Roman mit einem Unfall beginnen, bei dem ein Pferd ums Leben kommt. Zeuge dieses Unfalls ist der 62-jährige William Sheppard. Der Tod der weißen Stute ruft ein Schlüsselerlebnis in ihm hervor und bringt ihn dazu, seine Erinnerungen an den Sommer 1963, als er mit dreizehn Jahren seinem Vater ein Messer in die Brust sticht, aufzuschreiben. „In diesem Moment kamen die Menschen und Orte, die ich so lange hinter jener verschlossenen Tür eingesperrt hatte, wieder zum Vorschein, und ich wurde von der Vergangenheit überrollt.“
Ich habe selten einen Autor erlebt, der einen Roman mit so viel Intensität schreibt, wie David E. Hilton. Fast könnte man davon ausgehen, dass Hilton selbst diese Geschichte so erlebt hat. Aber dem ist nicht so und man mag es fast nicht glauben. Schon gleich von Beginn an, war ich wie gelähmt und gleichzeitig gefesselt von dieser Brutalität, die Wills Leben beherrscht. Sein Vater nennt ihn Mädchen oder Schwuchtel. Die Schläge, die er von ihm bekommt, schmerzen nicht annähernd so sehr, wie die Schwäche seiner Mutter. Immer und immer wieder verteidigt sie ihren Ehemann und sagt, dass er ein guter Mann ist. Als Will seinen Vater in seiner Verzweiflung niedersticht, sieht ihn die Mutter ganz entsetzt und voller Abscheu an und fragt ihn: „Wie konntest du das tun, William! Oh, mein Gott. Wie konntest du nur!“
Dass Will sich in diesem Moment nicht verraten gefühlt hat, sondern nur Mitleid mit seiner Mutter hatte, ist für mich nur sehr schwer nachzuvollziehen. Genauso habe ich mich ständig gefragt, wie er diese zwei Jahre auf der Ranch psychisch überstehen konnte. Der Autor hat die Gewaltszenen so detailliert beschrieben, dass ich Tränen in den Augen hatte. Und niemand, wirklich niemand hat es geschafft, sich dagegen aufzulehnen. Wenn ich den Roman mit einem Wort beschreiben müsste, würde mir nur eines einfallen: SCHMERZ
Das Thema Freundschaft nimmt in diesem Buch einen sehr hohen Stellenwert ein und gerade dort läuft der Autor mit seiner gefühlvollen Art zu Schreiben, zur Höchstform auf. Die Beschreibungen von den Gefühlen und Gedanken der Jungen, die sind so authentisch, dass man einfach mit leidet. Die seltenen Augenblicke des Glücks werden mit den nächsten Schicksalsschlägen gleich wieder zu Nichte gemacht. Der Tod ist in diesem Buch ein treuer Weggefährte und ich konnte mich damit nur schwer arrangieren.
Trotzdem kann ich sagen, dass „Wir sind die Könige von Colorado“ eins der besten und intensivsten Bücher ist, welches ich in letzter Zeit gelesen habe. Selbst nachdem ich es schon seit ein paar Tagen ausgelesen habe, wühlt es mich immer noch auf und ich könnte schon wieder weinen. Weinen um die vielen Wills in dieser Welt, die es noch gibt und deren Leben geprägt ist, von Hass, Brutalität, Korruption und tiefer Hoffnungslosigkeit. Ich danke David E. Hilton für ein Buch, das uns daran erinnert, wie wichtig es ist, nicht aufzugeben, Freundschaften zu pflegen und es nicht als selbstverständlich anzusehen, wie gut es uns allen geht.
Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig.
Ernst Reinhold Hauschka
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